Natanson, Karl – Frauenarzt, NS-Verfolgter
Text: Walter Mentzel
Karl (Carl) Natanson wurde am 11. Mai 1866 als Sohn von Josef Nathanson und Sofie, geborene Berle (1839-1888) in Warschau (Russland, heute: Polen) geboren. Seit 1897 war er mit Stefanie Levy (1876-1942) verheiratet, mit der er die Kinder Sophia (1896), Melanie (1897-1933), Irma (1899-1921), Arnold (1900) hatte.
Natanson studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 11. März 1893. Danach arbeitete er als Frauenarzt und führte eine Arztpraxis in Wien 9, Maximilianplatz 4-5. 1898 trat er als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien bei.[1]
1905 übernahm er die Leitung des Ammenheimes „Austria“ in Wien 1, Weihburggasse 11.[2]
Von Natanson sind eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen erhalten, wie die 1906 im Anatomischen Anzeiger erschienene Arbeit „Zur Kenntnis des Ephithels im kindlichen Uterus“. Im März 1909 hielt er einen Vortrag im Kaiser Franz Josefs-Ambulatorium „Über Hypoplasie und Mißbildungen des inneren Genitales“, der im selben Jahr unter demselben Titel in der Wiener klinischen Rundschau erschien.[3] Ebenfalls 1909 publizierte er die Arbeit aus dem I. Anatomischen Institut Wien beim Vorstand Emil Zuckerkandl (1849-1910) „Über das morphologische Verhalten der Montgomeryschen Drüsen“ und zuvor schon 1903 an diesem Institut über „Knorpel in der Niere“.[4] 1910 erschien von ihm die Studie „Über das Verhalten der Spermatozoen im weiblichen Genitaltrakt bei Efluvion seminis“ aus der I. gynäkologischen Abteilung des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums unter dem Vorstand Dr. Bela Reinitz (1850-1911) und der II. Abteilung für Geschlechts- und Hautkrankheiten im Allgemeinen Krankenhause in Wien unter dem Vorstand von Professor Salomon Ehrmann (1854-1926). Zwei weitere Arbeiten erschienen in der Monatsschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie „Über das Vorkommen von Plattenepithel im Uterus von Kindern“ und „Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Uterus unicornis“. Die Arbeiten befinden sich in der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.
Natanson engagierte sich in medizinischen und ärztlichen Vereinigungen, darunter im Vorstand des 1913 vom Wiener Doktoren-Kollegium gegründeten Ärztlichen Zentral- Spar- und Kreditinstitut (Genossenschaft),[5] sowie als Mitglied und in den Vereinsgremien des Ärztlichen Vereines im 9. Bezirk.[6] 1907 wurde er in den wissenschaftlichen Ausschuss des Wiener Doktoren-Kollegiums gewählt.[7]
1924 wurde Natanson gemeinsam mit dem Arzt Julius Flesch (1871-1942) gem. § 144 wegen eines durchgeführten Schwangerschaftsabbruches vor dem Wiener Landesgericht zu je drei Monaten schweren Kerker verurteilt. Beide wurden nach einem Berufungsverfahren freigesprochen.[8]
Natanson, der wie seine Ehefrau jüdischer Herkunft war und nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, beging am 30. Juni 1942 mit seiner Ehefrau Stefanie in der gemeinsamen Wohnung in Wien 9, Ferstelgasse 5, Suizid.
Quellen:
UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0403, Natanson Karl (Nationalien Datum: 1890/91).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-270a, Natanson Karl (Rigorosum Datum: 1890).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 187-856, Natanson Karl (Promotion Datum: 11.3.1893).
ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 17.233, Natanson Karl.
Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Natanson Karl und Stefanie.
Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.
Literatur:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
Keywords:
Natanson Karl, Frauenarzt, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Arzt, Wien
[1] Wiener klinische Wochenschrift, 7.4.1898, S. 355.
[2] Hebammen-Zeitung, 30.1.1905, S. 12.
[3] Wiener klinische Rundschau, 20.6.1909, S. 385-387; 27.6.1909, S. 404-406.
[4] Wiener klinische Rundschau, 16.7.1903, S. 857-858.
[5] Neue Freie Presse, 4.4.1914, S. 29.
[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 9, 1925, Sp. 569.
[7] Neue Freie Presse, 21.3.1907, S. 5.
[8] Der Tag, 26.9.1924, S. 8-9; Arbeiter Zeitung, 26.9.1924, S. 9.
Normdaten (Person) Natanson, Karl: BBL: 40891; GND: 1284852539;
Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40891 (30.03.2023); Letzte Aktualisierung: 2023 03 30
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40891