Ekstein (Eckstein), Emil – Frauenarzt, Gynäkologe und Organisator der Hebammen in Österreich
Text: Dr. Walter Mentzel
Emil Ekstein wurde am 25. Juli 1864 als Sohn des Apothekers Adolf (Abraham) aus Seidowitz (Bečov/Tschechien) und Rosa, geborene Glaser, in Styrl bei Kopitz (heute: Kopisty/Tschechien) geboren. Er war mit der in Prag geborenen Olga (*10.9.1874), geborene Jontof, verheiratet,[1] und hatte mit ihr gemeinsam die beiden Kinder Herbert (*25.6.1896 Tepliz-Schönau) und die spätere Wiener Ärztin Gertrude, verheiratete Ceranke.
Bereits während seines Studiums der Medizin an der Carl-Ferdinands-Universität in Prag arbeitete er am histologischen Institut. Nach seiner Promotion 1888 zum Doktor der gesamten Heilkunde[2] wurde er zunächst 1889 zum Oberarzt der Reserve im 40. Landwehr-Bataillon ernannt[3] und begann 1889/90 seine medizinische Laufbahn an der II. chirurgischen Klinik in Prag bei Prof. Carl Gussenbauer (1842-1903) und danach als Sekundararzt an der Privatklinik für Frauenkrankheiten des Gynäkologen und Geburtshelfers August Eduard Martin (1847-1933) in Berlin. In dieser Zeit publizierte er eine Reihe von Arbeiten, darunter 1901 in der Prager medicinischen Wochenschrift „Ueber die Anwendung der Kopfzange bei Steisslagen“, den 1892 als Sonderdruck aus der Prager medicinischen Wochenschrift veröffentlichten Aufsatz „Zur Behandlung der Fehlgeburt“ und die Studie „Ueber einen Fall von überzähliger Bildung im Bereiche des rechten Fusses“, die ebenfalls als Sonderdruck erschien. Sie befinden sich heute in der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.
Organisator der Hebammen in Böhmen
Seit 1891/1892 lebte Ekstein in Teplitz-Schönau, wo er als Operateur und Frauenarzt tätig war, daneben im Kurbad Teplitz-Schönau die Funktion eines Badearztes[4] und Schriftführers im Teplitz-Schönauer Kurverein ausübte,[5] sich aber vor allem seit 1893 für die Organisation der Hebammen und deren berufliche Aus- und Weiterbildung engagierte. Gemeinsam mit Ärzten aus Aussig (Ústí nad Labem) und Brüx (Most) gab er in Böhmen die wesentlichen Anstöße zur Organisation der Hebammen und bekam rasch einen überregionalen Bekanntheitsgrad im Organisationsnetzwerk der österreichischen Hebammen und ihren Interessensorganisationen. Er trat für ein klares Berufsbild und für die fachliche Aufwertung des Hebammenberufes ein. Zur Umsetzung seiner Ideen propagierte er die Gründung von lokalen Hebammenvereinen, deren ersten er 1893 in Teplitz-Schönau gründete.[6] Im selben Jahr veröffentlichte er in der Hebammen-Zeitung eine Artikelserie „Zur Reform des Hebammenwesens in Österreich“, in denen er die bisherigen Zustände einer Kritik unterzog, seine Vorstellungen präzisierte und eine aktivere Rolle des Staates bei der Hebung des Berufsstandes einforderte.[7] Diese Arbeit erschien auch unter dem gleichnamigen Titel als Aufsatz und befindet sich in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Seine Aktivitäten führten dazu, dass bis 1896 bereits 13 Sektionen der Hebammen-Organisation in Böhmen gegründet wurden, die großteils von ihm ins Leben gerufen worden waren. Über viele Jahre hindurch publizierte er regelmäßig in der Zeitschrift „Hebammen-Zeitung“, dem Organ des Unterstützungs-Vereines für Hebammen und dessen Präsidentin Anna Friedl-Eichenthal (1844-1931), darunter 1894 seinen in der Sektion Teplitz des Wiener Unterstützungsvereines für Hebammen am 8. Februar 1894 gehaltenen Vortrag,[8] so wie 1902 seinen Vortrag über „Die Bekämpfung des Kindbettfiebers“.[9] 1895 initiierte er in Teplitz-Schönau den 1. Österreichischen allgemeine Hebammentag.[10] Seinen hier gehaltenen programmatischen Vortrag „Ueber Ziel und Streben der Hebammen Österreichs“ findet sich in der Hebammen-Zeitung.[11] Weitere Publikationen von ihm zu diesem Themenbereich waren die 1902 publizierte Arbeit „Geburtshilfliche Neuorganisationen in Österreich“ (Stuttgart Enke 1902), und die zwischen 1907 und 1909 erschienene Artikelserie zu „Vorschläge zur amtlichen Herausgabe neuer Dienstvorschriften für die Hebammen Österreichs“.[12] 1908 stellte er nochmals in seiner Arbeit „Nur gebildete Hebammen!“ (Halle an der Saale, Marhold 1908) seine Vorstellungen zum Berufsbild und zur beruflichen Aus- und Weiterbildung der Hebammen vor, und 1911 hielt er in dem Aufsatz „Reichsorganisation der Hebammen Österreichs“ die bisherige Entwicklung der Organisationsarbeit aus seiner Sicht in einer kritischen Rückschau fest.[13] Weiters war er Bearbeiter und Herausgeber des seit 1894 regelmäßig erschienenen Österreichischen Hebammen-Kalender.
Hebammen-Zeitung. 15.12.1896. S. 7.
Ekstein als Frauenarzt in Teplitz-Schönau
Im Oktober 1897 eröffnete er das „Dr. Ekstein’s Frauen-Sanatorium“ in Teplitz, in der er auch der notleidenden Bevölkerung eine unentgeltliche Behandlung anbot.[14]
Prager Tagblatt, 10. Juni 1900, S. 19.
Aus seinem Arbeitsfeld als Frauenarzt und Gynäkologe entstanden eine Reihe von Publikationen wie der Aufsatz „Ueber die Verpackung sterilisierter Bruns’scher Watte für die geburtshilfliche Praxis“,[15] die 1896 veröffentlichte Arbeit „Ueber den Einfluss der Castration auf die Osteomalacie“ und die 1904 erschienene Studie „Die erste Spontanruptur des graviden Uterus im Bereiche der alten Kaiserschnittnarbe nach querem Fundalschnitte nach Fritsch“ aus der chirurgischen Abteilung des Kaiser Franz Joseph Bezirkskrankenhauses in Brüx unter dem Primarius Viktor Patzelt, die in der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin erhalten sind. Ebenfalls aus dem Jahr 1904 stammt seine Artikelserie in der Hebammen-Zeitung „Über Verhütung der Entstehung und Verschleppung des Kindbettfiebers.[16] Zwei weitere Arbeiten aus dem Jahr 1901 waren „Die ersten fünf Jahre geburtshilflicher Praxis“ (= Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. IV. Band, Heft 1) und „Die Theraphie bei Abortus“ (Suttgart Ferd. Enke, 1901). 1907 erschien von ihm die Arbeit „Die puerperale Infektion in forensischer Beziehung“ (bei Graefes Sammlungen, Bd. 7, H. 3, Halle an der Saale bei C. Marhold).
Ab 1914 führte Ekstein eine von ihm eingerichtete private gynäkologische Röntgenstation in Teplitz-Schönau.[17] Über seine Tätigkeit an dieser Einrichtung berichtete er in dem Aufsatz „Beobachtungen und Erfahrungen mit der Röntgentiefentherapie“, der 1917 als Sonderdruck aus der Gynäkologischen Rundschau erschien und sich heute im Bestand der Separata-Bibliothek befindet.
Am Ersten Weltkrieg nahm Ekstein im Range eines Regimentsarztes teil, wobei seine Tochter Gertrud, die zu dieser Zeit in Wien Medizin studierte, als seine Assistentin mit ihm einrückte.[18] Nach seiner im Dezember 1914 erfolgten Bestellung zum Chefarzt des Kriegsgefangenenlagers in Reichenberg,[19] kehrte er im September 1915 nach 14-monatiger Abwesenheit nach Teplitz-Schönau zurück und nahm seine Arbeit in seiner Arztpraxis wieder auf.[20] Im Jahr 1918 publizierte er wieder in Form einer Rückschau auf seine Tätigkeit die Schrift „Ueber Förderung des Bevölkerungszuwachses (die fünften fünf Jahre geburtshilflicher Praxis). (Teplitz-Schönau 1892-1917, Leipzig: Benno Konegen Verlag 1918“).
Emil Ekstein beging im Februar 1925 in Teplitz-Schönau Suizid, da er wegen des Verstoßes gegen den § 144 (Schwangerschaftsabbruch) verurteilt worden war, weitere Anklagen folgten und ihm eine längere Freiheitstrafe drohte.[21]
Quellen:
Trauungs-Matrikenbuch (Židovské Matriky) 1784 – 1949 (1960), Litt. 8, Abteilung 1, 1892, Folio 16, Emil Ekstein, Olga Jontof (1892). Narodni Archiv, Register der jüdischen Religionsgemeinschaften in den tschechischen Regionen.
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[1] Trauungs-Matrikenbuch (Židovské Matriky) 1784 – 1949 (1960), Litt. 8, Abteilung 1, 1892, Folio 16, Emil Ekstein, Olga Jontof (1892). Narodni Archiv, Register der jüdischen Religionsgemeinschaften in den tschechischen Regionen.
[2] Prager Tagblatt. 27.12.1888. S. 3.
[3] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 15.10.1902. S. 1.
[4] Amtliche Nachrichten zur Cur-Liste von Teplitz-Schönau. 1898. S. 3.
[5] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 1.2.1905. S. 6.
[6] Hebammen-Zeitung. 30.8.1894. S. 2-3.
[7] Hebammen-Zeitung. 30.9.1893. S. 141-142; 15.10.1893. S. 149-150.
[8] Hebammen-Zeitung. 28.2.1894. S. 1.
[9] Hebammen-Zeitung. 28.2.1894. S. 1.
[10] Prager Tagblatt. 30.7.1895. S. 4.
[11] Hebammen-Zeitung. 15.8.1895. S. 1.
[12] Hebammen-Zeitung. 31.1.1907. S. 16-17; 15.12.1907. S. 313-314; 1.3.1908. S. 3-4; 31.1.1908. S. 6-7; 15.1.1908. S. 3-4 und 15.3.1908. S. 5-7.
[13] Hebammen-Zeitung. 1.12.1911. S. 543.
[14] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 3.11.1897. S. 5.
[15] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 9.10.1894. S. 1.
[16] Hebammen-Zeitung. 15.12.1904. S. 181-183; 30.12.1904. S. 189-191.
[17] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 25.2.1914. S. 10.
[18] Arbeiter Zeitung. 1.9.1914. S. 5.
[19] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 17.12.1914. S. 4.
[20] Teplitz-Schönauer Anzeiger. 29.9.1915. S. 6.
[21] Neues Wiener Journal. 24.2.1925. S. 10.
Keywords:
Emil Ekstein, Frauenarzt, Frauenheilkunde, Gynäkologie, Hebammen, Teplitz-Schönau, Arzt, Medizingeschichte, Wien, Separata Biblothek, Neuburger Bibliothek
Normdaten (Person) Ekstein, Emil: BBL: 38670; GND: 1057583189
Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 38670 (21.03.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 03 21
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