Kartoffel – oder wie Amerika die Welt veränderte (Hortus Eystettensis 6)

Erdapfel_Margrit HartlKartoffel. Sie ist die landwirtschaftlich und agrar-technisch genutzte Pflanze schlechthin..
Heute erscheint sie uns meist schmucklos und unscheinbar blühend. Alles Augenmerk in Züchtung und Produktion richtet sich auf den Geschmack der Knollen bei gleichzeitiger Ertragsmaximierung. Die jährliche Weltproduktion liegt bei über 300 Millionen Tonnen.

Was brachte daher diese keineswegs Aufsehen erregende Nutzpflanze in den prachtvollen fürstbischöflichen Garten und in Beslers opulentes Florilegium? Der agrarische Nutzen der Pflanze stand nicht immer schon im Vordergrund:
Im Garten von Eichstätt stand das botanische Interesse an einer seltenen Pflanze im Vordergrund, die wegen ihrer schönen weiß-violetten Blüten in den Gärten gepflegt und gezogen wurde. Die Kartoffel war wohl der vielleicht folgenreichste Pflanzenimport aus der Neuen Welt nach Europa, und war nur bei den Inkas schon seit langem als Nahrungsmittel bekannt. Bei der Eroberung Perus lernten sie in den Anden auch die Spanier kennen. 1533 hatten die Spanier das Inkareich geschlagen, aber erst vier Jahre später soll man die Knollen bei einer Expedition zur Suche des legendären „El Dorado“ bei Bauern gefunden haben. Der Hunger nach Gold war realem Magenknurren gewichen und die stolzen Konquistadoren waren über die Nahrungsvorräte der geflohenen Bevölkerung hergefallen. Man notierte das denkwürdige Datum 31. Juli 1537. Die Spanier hatten das wahre Gold der Erde gefunden: Die Kartoffel. Erst 1565 erreichten die ersten Knollen Spanien, wo sie am Hof Phillips II. großes Aufsehen erregen sollten. Der spanische König schenkte eine Kiste weiter an den kranken Papst Pius IV – als Genesungsgeschenk. Von da an trat die Kartoffel bald ihren Siegeszug in Europa an. Als reine Zierpflanze mit üppigen Laub und schönen Blüten taucht sie in den botanischen Gärten ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien, den Niederlanden und in Burgund auf. 1584 soll der englische Seefahrer Sir Walter Raleigh die Frucht in Irland eingeführt haben und 1623 wurde sie dann aus Virginia nach England mitgebracht, wo sie ab 1684 in Lancashire in größerem Stil erstmals angebaut wurde. Auch wenn der Anbau in Deutschland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begonnen hatte, konnte sich die die Kartoffel, da sie als giftig galt, gegen das Grundnahrungsmittel Getreide kaum durchsetzten. Dies ändert sich erst als Friedrich der Große Nahrungsmittel für seine vielen Soldaten suchte. Aufgrund seiner Förderung setzt sich die Kartoffel ab 1770 nach und nach durch. Besonders nachdem gezielte Kreuzungen den Geschmack, die Haltbarkeit und den Ertrag deutlich steigerten und die verbesserte Dreifelderwirtschaft eine ausreichende Feldbestellung ermöglichte. Außerhalb Deutschlands wurde die Kartoffel vor allem in Irland kultiviert. Weil dort Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu die gesamte Nahrungsmittelproduktion auf sie ausgerichtet ist, führen mehrere durch einen Kartoffelschädling ausgelöste Missernten zwischen 1845 und 1849 zu großen Hungersnöten. Aus diesem Grund wandern in diesen Jahren über eine Million Iren in die USA, Kanada und Australien aus.

Botanisch gesehen gehört die Kartoffel zur Gruppe der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Sie enthält in allen grünen Pflanzenteilen hochgiftige Solanumalkaloide, vor allem das α-Solanin. In den Knollen sind Spuren von natürlichem Diazepam entdeckt worden. Die Konzentrationen sind allerdings so gering, dass selbst beim Genuss eines Sacks voll Kartoffeln keine sedierende „Valium“-ähnliche Wirkung auftreten dürfte.

Schon vor Linné gab ihr Caspar Bauhin den botanischen Namen Solanum tuberosum esculentum. „Tuberosus“ steht für knollig, Knollen- und leitet sich vom lateinischen „Tuber“, für Buckel, Höcker, oder Geschwulst ab. In der Botanik steht Tuber für die Speisetrüffel. Bereits die Spanier in Südamerika hielten die essbaren unterirdischen Sproßknollen aufgrund ihres Vorkommens, ihrer bräunlichen Außenhülle, der knolligen Gestalt und dem weißlich-gelblichen Anschnitt durch die Innenseite für Trüffel. Da in Gebieten Europas, wo sowohl Weisstrüffel vorkommen, wie auch früh Kartoffel angebaut wurden, hat dort eine Namensübertragung von der Trüffel auf die Kartoffel stattgefunden. So hat sich aus dem italienischen „tartufo“ für Trüffel das ostfranzösische „tartuf“ für Kartoffel entwickelt Schon um 1600 heißt es auf Französisch: „La pomme de terre s`est appelèe Cartoufle.“, woraus das deutsche Kartoffel (neben dem älteren Tartüffel) entlehnt ist. Nur im österreichisch-süddeutschen Raum blieb man länger dem vertrauteren, beschreibenden Ausdruck „Erdapfel“, bzw. der „Grundbirn“ treu.

Im Buch des Hortus Eystettensis wird die Pflanze entsprechend ihrem Ursprung als Papas Peruanorum, bzw. mit dem deutschen Namen „Grübling-Baum“ bezeichnet, der ebenfalls auf Caspar Bauhin zurückgeht.

Als Abbildung im Hortus Eystettensis begegnen wir der Kartoffel als prächtig groß-blühende Pflanze, deren Wurzelknollen abgeschnitten beigestellt sind. Neben der Pflanze sind der Gartenthymian und der ebenfalls unauffällige Wilde Thymian, auch Quendel genannt, dargestellt, die beide aufgrund ihres typischen Geruchs als Gewürz und Arzneipflanze verwendet wurden.

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Erdapfel_Foto_M.Hartl

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