„1. Weltkrieg & Medizin“ [32]: Das Reservespital Nr. 2 in Pardubitz / Pardubice in Böhmen 1914 – 1918 (Teil 4)

Das Reservespital Nr. 2 in PARDUBITZ / PARDUBICE in Böhmen 1914 – 1918

Teil 4 – Von der “Beobachtungsstation“ zum „Reservespital Nr. 2“ 1915-16

Nachdem im April 1915 die baldige Eröffnung des „Kriegsnotspitals“ in der Tagespresse angekündigt worden war (siehe Teil 2), stellte das für Pardubitz zuständige Korpskommando in Leitmeritz/Litoměřice  https://de.wikipedia.org/wiki/Litom%C4%9B%C5%99ice  in einem Bericht vom 8. Mai 1915 an das k. u. k. Kriegsministerium in Wien folgendes fest:

„Dass die bereits fertiggestellten Objekte so eingerichtet sind, dass viele unserer, selbst als gut eingerichtet geltende Spitäler diese Einrichtungen nicht im Entferntesten besitzen. Neben luxuriös ausgestatteten Operationszimmern, den neuesten Röntgenkabinetten, bakteriologischem Laboratorium, Badezimmern etc. gibt es Küchen, die direkt als erstklassige Ausstellungsobjekte dienen könnten.“

Nach einer weiteren Besichtigung durch den Chef des militärärztlichen Offizierskorps Generalstabsarzt Robert Ritter von Töply

http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_T/Toeply_Robert_1856_1947.xml

bemerkte dieser in seinem Schreiben vom 11. Juni 1915 an das k. u. k. Kriegsministerium in Wien :

„Mit unverhältnismäßigem, die Kriegsverhältnisse und den provisorischen Zweck außerachtlassendem Aufwand, modernst eingerichtet, im grellen Gegensatz zum ärmlichen Zustand gar vieler Militärsanitätsanstalten.“

Und machte den Vorschlag, dass „der fertig gestellte Komplex als stabiles Reservespital vorzüglich geeignet, von der Heeresverwaltung zu übernehmen und unter Kommando eines tüchtigen höheren Militärarztes zu stellen wäre.“

Mitte Dezember 1915 wurde das Ende des Systems der Beobachtungsstationen in Österreich-Ungarn beschlossen. Begründet wurde das vom k. u. Kriegsministerium folgendermaßen:

„1)  Die veränderte Kriegslage bedingt, dass der größte Teil der Verwundeten und Kranken [Soldaten] nicht mehr im Hinterlande, sondern im Etappenbereiche der Heilung zugeführt wird, weshalb einerseits die Beobachtungsstationen zum größten Teile leer stehen, anderseits aber, da die Höhe des Belagraumes aufrechterhalten werden muss, die Ärzte- und Pflegerzahl zumeist in keinem Verhältnis zu den Heilbedürftigen steht und die Kosten für jeden Kranken daher zu hoch zu stehen kommen.

2)  Durch die Länge des Krieges ergibt sich die Notwendigkeit, Truppenunterkünfte, Schulen und andere öffentliche Gebäude, welche für Spitalszwecke herangezogen worden waren, wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen.“

Davon betroffen war auch das Barackenspital in Pardubitz, dessen Bau zwar vollendet, die Einrichtung mehrerer Abteilungen aber immer noch nicht fertig gestellt war.

Am 17., 18. Und 19. Jänner 1916 wurde die Beobachtungsstation Pardubitz auf Anlass des k- u. k. Kriegsministeriums vom Chef des militärärztlichen Offizierskorps neuerlich besichtigt und folgendes schriftlich festgehalten:

„ Zu diesem Zeitpunkt waren erst 3 Abteilungen fertiggestellt mit 5.100 Betten, die aber nur schwach belegt waren (2.833 leere Betten).

Personalstand: 41 Ärzte, 11 Medizinerinnen, 102 „reichsdeutsche“ Pflegerinnen, 321 aufgenommene Hilfspflegerinnen, 188 Mann u. 258 Frauen an Hilfspersonal für gröbere Arbeit, 374 Landsturmmänner für Wach- und Hausdienst, 33 Verwaltungsbeamte, 9 Telephonistinnen, insgesamt 1.337 Personen.

Hervorhebenswerte Bauobjekte:

3 große modernst eingerichtete gemauerte Operationspavillions (2 in Benützung)

Ein vollkommenst ausgestattetes umfangreiches bakteriologisches Laboratorium mit eigenem Stallgebäude

Eine eigene Abteilung für zahnärztliche und Kieferfrakturenbehandlung sowie für Mechanotherapie mit reichlicher technischer Einrichtung

An Mängel wurde festgestellt: abstechend die Straßenpflasterung mit bröckeligen Tonziegeln, die aus ganz dünnem bereits verbogenen Eisenlamellen bestehenden Fußabstreifer bzw. Bodengitter, besonders aber der Mangel einer Kleinbahn in einem so umfangreichen Etablissement, schließlich der Mangel an Vegetation. Der mit beträchtlichen Mitteln in Szene gesetzte ökonomisch-administrative Apparat sowie die großzügigen technischen Einrichtungen ermangeln wegen des geringen Krankenstandes vielfach der ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betätigung.“

Pardubitz-06-VS
Foto: Reinhard Mundschütz

Kurze Zeit später fiel im k. u. k. Kriegsministerium in Wien der Beschluss, die Beobachtungsstation mit dem Barackenspital in Pardubitz als „Reservespital Nr. 2“ der Heeresverwaltung einzugliedern, und folgendermaßen zu verwenden (Schreiben des Korpskommandos Leitmeritz vom 26. Mai 1916):

„1) Die gesamten Geschlechts- und Hautkranken des Militärkommandobereiches Leitmeritz sollen hier vereinigt werden, [Annähernd die Hälfte aller Geschlechtskrankheiten pflegt mit Tripper, der Rest mit sonstigen Geschlechtskrankheiten behaftet zu sein. Bei dem voraussichtlichen Fassungsraume des für Geschlechtskranke bestimmten Sektors wird somit für die Behandlung von 900 Tripperkranken dieses Spitales vorzusorgen sein. Die heutige Tripperbehandlung mit Druckspritze oder Janett-ansatz erfordert per Kranken täglich mindestens 5 Minuten Behandlungszeit an Vor- und Nachmittagen, Wenn daher in einem Behandlungsraume gleichzeitig an 5 Operationstischen gearbeitet werden kann, ist es möglich, per Stunde maximum 60 solche Kranke entsprechend zu behandeln. Für je 150 Tripperkranke sind somit je 3 Arbeitsstunden vor- und nachmittags auf 5 Behandlungstischen zu rechnen. Daraus folgt aber, dass für alle 1800 Geschlechtskranke mindestens 6 Krankenabteilungen zu bilden und entsprechend mit Behandlungsräumen auszustatten sind]

2) Mit Rücksicht auf den bedeutenden Belagsraum wird für die Unterbringung und Behandlung von Nervenkranken speziell vorgesorgt werden, [eine solche Abteilung wird benötigt, da im Militärkommandobereiche bisher Spezialeinrichtungen zur Behandlung Nervenkranker, dann zur Elektro-Hydrotherapie nicht vorhanden sind]

3) Die bestehenden Vorsorgen für die orthopädische Behandlung chirurgischer Fälle soll weiter ausgebaut werden.“

Die mit 1. Juli 1916 geplante Übernahme des Spitals in die Heeresverwaltung fand erst am 1. August 1916 statt.

Zu Österreich-Ungarn – Korpsbereiche und Ergänzungsbezirke sehen Sie bitte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Korps_der_%C3%96sterreichisch-Ungarischen_Armee 

Zu Publikationen von Robert TÖPLY im Bestand der Universitätsbibliothek der medizinischen Universität Wien / Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin hier einige Beispiele:

1890 – Krankheiten

http://webapp.uibk.ac.at/alo_cat/card.jsp?id=11979078&pos=14&phys=

1900 – Die Medizin in Österreich im 19. Jahrhundert

http://webapp.uibk.ac.at/alo_cat/card.jsp?id=12015702&pos=5&phys=

1901 – Das Bindfutter – eine historische Studie

http://webapp.uibk.ac.at/alo_cat/card.jsp?id=11962341&pos=6&phys=

1902 – Die Medizin in China

http://webapp.uibk.ac.at/alo_cat/card.jsp?id=12012004&pos=2&phys=

1937 – Vormärz in Wien

http://webapp.uibk.ac.at/alo_cat/card.jsp?id=11902258&pos=12&phys= 

Über Tripper und andere Geschlechtskrankheiten lesen Sie bitte:

Die Gefahren der Geschlechtskrankheiten

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=bhz&datum=19160320&seite=2&zoom=33&query=%22tripper%22&provider=P02&ref=anno-search

und 

Zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=st3&datum=19160513&seite=20&zoom=33&query=%22tripper%22&provider=P02&ref=anno-search 

Zur Behandlung der Geschlechtskrankheiten im Ersten Weltkrieg lesen Sie bitte den Artikel von

Walter PICK: Ein Erfolg im Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1915&page=771&size=45 

Text: Reinhard Mundschütz

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